Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Normalerweise tritt es vermehrt bei älteren Menschen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes auf. Bei jungen, sehr fitten Ausdauersportlern ohne solche Risikofaktoren würde man es kaum erwarten – dennoch zeigen Studien, dass gerade ehemalige Hochleistungssportler im späteren Leben überdurchschnittlich oft an Vorhofflimmern erkranken.
Untersuchungen an ehemaligen Profi-Ausdauersportlern belegen diesen Zusammenhang. So hatten in einer Schweizer Studie rund zehn Prozent der früheren Radrennfahrer (Durchschnittsalter Mitte 60 Lebensjahre) Vorhofflimmern, wohingegen in einer gleichaltrigen Kontrollgruppe kein Fall vorkam.1 Eine aktuelle europäische Studie an ehemaligen Weltklasse-Ruderern ergab sogar bei etwa 21 Prozent der Ex-Athleten Vorhofflimmern gegenüber nur rund drei Prozent in der Kontrollgruppe.2 Das Risiko war somit um ein Vielfaches erhöht. Trotz ähnlich guter sonstiger Gesundheit traten bei den ehemaligen Sportlern auch mehr Schlaganfälle auf, was die Bedeutung einer rechtzeitigen Diagnose unterstreicht.
Als Ursache vermuten Kardiologinnen und Kardiologen eine Kombination aus trainingsbedingten Herzveränderungen und genetischer Veranlagung.
Jahrelanges intensives Ausdauertraining führt zu Anpassungen: Das Herz vergrößert sich leicht – insbesondere die Vorhöfe – und der Ruhepuls sinkt durch eine verstärkte Aktivität des parasympathischen Nervensystems (Vagotonus). Diese Veränderungen sind an sich nicht krankhaft, können jedoch die Entstehung von Vorhofflimmern begünstigen – insbesondere bei großen Vorhöfen und hohem Vagustonus während Ruhephasen. Zusätzlich könnten mikroskopisch kleine Narben im Herzgewebe durch jahrelange Überlastung entstehen.
Intensiver Sport scheint auch eine vorhandene genetische Neigung zu enttarnen: In der Ruderer-Studie hatten Athleten mit erhöhter genetischer Risikobelastung besonders häufig Vorhofflimmern. Insgesamt erhöhen also extreme Dauerbelastung und Vererbung gemeinsam das Risiko für Vorhofflimmern bei manchen Ausdauerathletinnen und -athleten.
Wichtig: Für die breite Bevölkerung bleibt regelmäßige Bewegung ein Schutzfaktor – das erhöhte Risiko betrifft vor allem Personen mit jahrzehntelangem Hochleistungstraining. Fachgesellschaften wie die Europäische Gesellschaft für Kardiologie beschreiben eine U-förmige Beziehung: Mäßiger Sport senkt das Risiko, erst exzessives Training über viele Jahre kehrt diesen Nutzen um – besonders bei Männern mittleren bis höheren Alters. Bei Frauen ist dieser Effekt bislang weniger klar nachgewiesen.3 4 5
Daher sollte niemand aus Angst vor Vorhofflimmern auf Sport verzichten. Allerdings ist es sinnvoll, dass ehemalige Wettkampfsportler aufmerksam auf mögliche Herzrhythmusstörungen achten. Bei anhaltendem Herzstolpern oder ungewöhnlichem Herzrasen sollte eine kardiologische Abklärung erfolgen, zum Beispiel durch ein Langzeit-Elektrokardiogramm. Wird Vorhofflimmern festgestellt, kann es effektiv behandelt werden – durch Medikamente oder eine Katheterablation – und das Schlaganfallrisiko lässt sich durch eine gerinnungshemmende Therapie deutlich senken. Ärztinnen und Ärzte berücksichtigen dabei die speziellen Bedürfnisse von (ehemals) sportlich aktiven Patientinnen und Patienten.
- Baldesberger, S. et al. (2008). Sinus node disease and arrhythmias in the long-term follow-up of former professional cyclists. European Heart Journal, 29(1), 71–78. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehm555 ↩︎
- Flannery, M. D. et al. (2025). Atrial fibrillation in former world-class rowers: role of environmental and genetic factors. European Heart Journal, 00, 1–12. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf369 ↩︎
- European Society of Cardiology (ESC). (2020). 2020 ESC Guidelines on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease. European Heart Journal, 42(1), 17–96. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa605 ↩︎
- European Society of Cardiology (ESC). (2024). ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation. https://www.escardio.org/Guidelines ↩︎
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). (2025). Positionspapier zur elektrischen Kardioversion bei Vorhofflimmern. https://leitlinien.dgk.org ↩︎